Max-Planck-Institut für Radioastronomie Bonn

Aktueller Forschungsschwerpunkt: Jets in Galaxien - Mächtige Kosmische Plasmabeschleuniger

Heino Falcke

Schwarze Löcher können machtvolle Plasmaausflüsse auf beinahe lichtschnelle Geschwindigkeiten beschleunigen. Nicht nur in den extrem hellen Quasaren, sondern immer öffters auch in leuchtschwächeren, nahen Galaxien sind solche Jets zu finden. Hochauflösende Radio und Hubble-Space-Teleskop Aufnahmen zeigen nun, die dramatischen Strukturen, die entstehen, wenn diese Jets in das interstellare Medium dieser Galaxien rammen.

EINLEITUNG

Radiojets von radio-lauten Quasaren und Radiogalaxien sind einer der beeindruckensten Strukturen im Universum. Dies sind beinahe lichtschnelle Plasmastrahlen, die eine Ausdehnung von mehreren Millionen Lichtjahren erreichen können und im Zentrum von Galaxien enstehen - in einem Gebiet, daß oft nicht viel größer ist als unser Sonnensystem. Die Energien, die zur Erzeugung dieser Jets benötigt werden sind so enorm, daß allgemein angenommen wird, daß diese Jets von Akkretionsscheiben produziert werden, die sich um ultra-schwere schwarze Löcher gebildet haben und Materie entlang ihrer Rotationsachse ausstoßen. Eine weitere Signatur dieser Akkretionsscheiben in Quasaren sind starke Leucktkräfte im Ultravioletten (UV) mit Leistungen von 1039 Watt und mehr, sowie Infrarot- und Röntgenstrahlung. Im Kern der Galaxie, am Ursprung des Jets, findet sich fast immer ein ultra-kompakter Radiokern mit flachem Radiospektrum und sekundären Komponenten, die sich oft mit scheinbarer Überlichtgeschwindigkeit vom Zentrum entfernen. Neben starker Radiostrahlung sind diese Radiojets offensichtlich auch Quellen starker gamma-Strahlung und mögliche Quellen ultra-hochenergetischer Teilchen.

In den letzten Jahren hat sich aber nun gezeigt, daß radio-laute Quasare und Radiogalaxien nicht die einzigen Objekte sind, bei denen Jets eine wichtige Komponente des Gesamtsystems darstellen:

Neben den Jets, die in den Zentren von Galaxien produziert werden und wahrscheinlich von schwarzen Löchern stammen, die eine Masse von vielen Millionen Sonnenmassen haben, findet man dasselbe Phänomen auch auf viel kleineren Skalen:

Dies alles läßt darauf schließen, daß die Erzeugung von Jets ein fundamentaler Mechanismus in der Akkretionsscheibenphysik ist und daher ein Verständnis von Akkretionssystemen ohne das Verständnis von Jets nicht möglich ist. Um diesen grundlegenden Prozess zu begreifen, ist es daher zunächst notwendig, all diese verschiedenen Objektklassen im Detail zu studieren und dann ein zusammenhängendes Bild der Jetentstehung zu formulieren. Daher möchte ich in diesem Artikel die Bedeutung von Jets in aktiven Galaxien diskutieren, wo die Einfluß und die Bedeutung des Jets oft vernachlässigt wird, nämlich in radio-schwachen Quasaren und Seyfertgalaxien.

DIE VERBINDUNG VON JET UND SCHEIBE

Quasare und Seyfertgalaxien sind die wohl am besten untersuchten aktiven Galaxien und an ihnen wurde das Standard-Akkretionsmodell für supermassive schwarze Löcher entwickelt. Sie zeichnen sich durch einen hellen, optischen Kern aus, der besonders starke Emissionslinien produziert. Besonders stark sind dabei die Linien des ionisierten Wasserstoffes (z.B. Halpha) und ``verbotene'' Linien von Sauerstoff ([OIII]) und Stickstoff ([NII]). Diese Linien werden in heißem, ionisiertem Gas erzeugt. Es wird allgemein vermutet, daß das Gas von einer starken Quelle ultravioletter Strahlung im Zentrum der Galaxie geheizt und ionisiert wird. Ursache dieser Strahlung ist wahrscheinlich eine Akkretionsscheibe, die sich um ein super-schweres Schwarzes Loch gebildet hat. Interstellare Materie, z.B. in Molekülwolken, die sich in der Galaxie befinden, gelangt dabei in den Bann des schwarzen Loches, spiraliert zum Zentrum und formt die Akkretionsscheibe. Im Standardmodell für solche aktiven Galaxienkerne wird durch interne Viskosität die Scheibe aufgeheizt und überschüssiger Drehimpuls nach außen transportiert, so daß akkretierte Materie langsam zum Zentrum sinkt. Am inneren Rand der Scheibe, nahe dem schwarzen Loch, können so Temperaturen von bis zu 100.000 K erreicht werden und es entsteht starke UV-Strahlung.

Im einfachen Bild wird in dem ganzen Prozess in erster Linie potentielle Gravitationsenergie in Hitze und Strahlung umgewandelt und abgestrahlt. Da ein schwarzes Loch die größte überhaupt mögliche Potentialtiefe gravitierender Masse hat, ist dieser Prozess ausgesprochen effektiv. Die Keplergeschwindigkeit nahe einem schwarzen Loch ist fast 50% der Lichtgeschwindigkeit. Somit ist die klassische, kinetische Energie (1/2 m (0.5 c)2) der Masse kurz vor dem Eintauchen in das schwarze Loch nahe der Ruheenergie m c2 und die abgestrahlte potentielle Energie ist von gleicher Größenordung. Dies sind gewaltige Energien, die für die zentrale Maschine in Galaxienkernen zur Verfügung stehen. In Quasaren schätzt man, daß dort typischerweise eine Sonnenmasse pro Jahr vom schwarzen Loch verschlungen wird und dabei die gigantische Energie von 1039 Watt freigesetzt wird, was der Leuchtkraft von 1013 Sonnen entspricht.

Ganz offensichtlich wird aber diese Energie nicht vollständig dissipiert (in Hitze umgewandelt), sondern ein Teil wird abgezweigt, um die beobachteten Jets zu erzeugen. Und wie oben bereits erwähnt, deutet die immer größer werdende Zahl neuentdeckter Jetquellen darauf hin, daß dieser Prozess ein integraler Bestandteil kosmischer Akkretionsmaschinen ist. Leider ist unser Wissen über Jets, trotz vieler Jahre Forschung, noch relativ bescheiden. Selbst die drei grundlegenden Parameter eines Jets, Massenausfluß (Mdotjet), Leistung (Qjet) und Geschwindigkeit (vjet), sind oft nur sehr ungenau bestimmt.

Immerhin scheinen sich aber nun wenigstens einige Gesetzmäßigkeiten ableiten zu lassen. Zunächst einmal scheint die charakteristische Geschwindigkeit von Jets mit der Entweichgeschwindigkeit vom Zentralobjekt zu skalieren. Bei Jets, die in der Nähe von Sternen entstehen, ist vjet nur einige hundert km/sec, bei Neutronensternen ist vjet schon ein Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit und bei schwarzen Löchern ist es nahe der Lichtgeschwindigkeit (Livio 1996). Die Energie- und Massenflüsse sind dahingegen novh viel schwieriger zu bestimmen, jedoch können dabei grundlegende physikalische Gesetzmäßigkeiten, wie die Energie- und Massenerhaltung, von großem Nutzen sein. Wenn der Jet in der Tat von einer Akkretionsscheibe produziert wird, dann muß das Verhältnis von ausfließender zu einfließender Masse qm = Mdotjet / Mdotdisk deutlich kleiner als Eins sein. Ebenso können die von der Scheibe abgestrahlte Energie Ldisk und die für den Jet benötigte Energie Qjet nicht größer sein, als die gesamte im Akkretionsprozess maximal zur Verfügung stehende Energie (~ Mdotdisk c2). Wir können daher annehmen, daß die Verhältnisse qjet=Qjet/(Mdotdisk c2) und qdisk=Ldisk/(Mdotdisk c2) beide kleiner Eins sein müssen.

Welche Werte können wir nun für die Parameter in astrophysikalischen Jets ableiten? Man kann z.B. zeigen, daß die Bedingung qjet<1 für Jets in radio-lauten Quasaren dazu führt, daß der skalierte Massenausfluß qm nur ein paar Prozent betragen kann. Darüberhinaus müssen diese Jets offensichtlich auch noch ausgesprochen effiziente Radiostrahler sein, in denen die Energie in ungefähr gleichen Teilen auf Magnetfelder, relativistische Teilchen und kinetische Jetenergie verteilt ist. Vergleicht man die Radioleuchtkraft von Quasaren mit ihrer UV-Leuchtkraft und vergleicht dann dieses Verhältnis mit dem theroretisch maximalen Wert, findet man darüberhinaus, daß das Verhältnis Qjet/Ldisk ebenfalls nahe Eins liegen muß. In anderen Worten, radio-laute Quasare leiten fast ebensoviel Energie in ihre Jets, wie sie durch Heizung der Akkretionsscheibe abstrahlen. Ein ähnliches Ergebnis findet man, wenn man die Energie der ausgedehnten Radiokeulen der Jets mit der UV-Leuchtkraft vergleicht. Folglich sind Jets keine reinen Anhängsel von AGN, sondern integrale Bestandteile des Gesamtsystems. Desweiteren kann man daraus ableiten, daß der Jet wirklich im innersten Bereich der Scheibe, nahe dem schwarzen Loch, produziert wird - nur dort steht genügend Energie zur Verfügung, denn mehr als die Hälfte der Gesamtenergie der Scheibe wird in den innersten 10 Schwarzschildradien des schwarzen Loches freigesetzt.

BEOBACHTUNGEN VON JETS UND SCHEIBEN

Lange Zeit war die Verbindung von Jet und Scheibe nur von theoretischer Natur, insbesondere deswegen, weil direkte Beobachtungen von Akkretionsscheiben nicht möglich waren. Aber auch das hat sich dramatisch geändert. Beeindruckenstes Beispiel sind die HST-Beobachtungen von Herbig-Haro Objekten, Jets von jungen Sternen, die nicht nur eine bemerkenswerte ähnlichkeit zu extragalaktischen Jets haben, sondern die auch eine Staubscheibe senkrecht zum Jet direkt zeigen (HH30, Burrows et al. 1996).

Das zweite Beispiel ist NGC 4258. In dieser Galaxie existiert ein Wasser-Maser, der eine starke Linie im cm-Wellenbereich aussendet, die mit Very-Long-Baseline-Interferometrie (VLBI) räumlich aufgelöst wurde. Was man fand, war eine dünne molekulare Scheibe, die auf Kepler-Bahnen um eine zentrale Masse kreist. Die so abgeleitete Massendichte ist so hoch, daß es sich dabei nur um ein schwarzes Loch handeln kann. Senkrecht zur Scheibe befindet sich ein Radiojet, der eine Länge von mehreren Kpc erreicht und ebenfalls starke Halpha-Emission zeigt. Andere Beispiele für die Verbindung von Jet und Scheibe sind die Galaxien M87 und NGC 4261 in denen mit HST Scheiben senkrecht zu Radiojets gefunden wurden. Zwar sind diese Scheiben noch nicht auf den kleinen Skalen aufgelöst worden, wo wir die Enstehung des Jets und die Produktion der UV-Leuchtkraft vermuten, aber es braucht wenig Phantasie, sich vorzustellen, daß sich diese Scheiben nach innen fortsetzen.

Die Hinweise, daß Jets und Scheiben miteinander gekoppelt sind, werden also immer erdrückender, um so interessanter wird daher die Frage, wie allgemeingültig diese Verbindung eigentlich ist. Die Frage ist insbesondere wichtig für AGN, wo wir als gemeinsames Grundelement ein schwarzes Loch vermuten. Kann man bei stellaren Objekten noch darüber spekulieren, daß es viele verschiedene Möglichkeiten der Jetformation geben kann, weil das Zentralobjekt und die Randschicht zwischen Stern und Scheibe sehr unterschiedlich sein kann, gilt das Argument bei schwarzen Löchern nicht mehr, da diese nur einen sehr begrenzten Parameterspielraum haben (Spin, Masse und Akkretionsrate). Man würde also erwarten, daß in den verschiedenen Objekten, in denen schwarze Löcher vermutet werden, grundsätzlich ähnliche Jets produzieren sollten. Gerade Beobachtungen von Jets in Objekten, wie z.B. in radio-schwachen Quasaren und Seyfertgalaxien, die nicht gerade für ihre Jets berühmt sind aber den größten Teil aktiver Galaxien ausmachen, können uns daher sehr viel über die allgemeinen Eigenschaften von Jets sagen.

HST- UND VLA-BEOBACHTUNGEN VON SEYFERTS

Beobachtungen von Jets in Seyfertgalaxien sind aus zweierlei Gründen besonders schwierig. Zunächst einmal sind diese Jets am Himmel typischerweise nur wenige Bogensekunden groß - wenn sie überhaupt aufgelöst werden können. Darüberhinaus sind sie auch relativ schwache Radioemitter mit Flüssen, die im Normalfall nur wenige Milli-Jansky betragen. Auf der anderen Seite bieten Seyferts auch einen unschlagbaren Vorteil: sie haben ausgedehnte Linienemission von heißem Gas, und daher besteht die große Hoffnung, daß durch Spektroskopie das Geschwindigkeitsfeld des Gases und damit seine Wechselwirkung mit dem Jet bestimmt werden kann. Wie im Radiobereich erfordert dies aber auch im optischen eine hohe räumliche Auflösung, so daß nur das HST und das VLA die nötige Auflösung und Empfindlichkeit haben, Jets in Seyfertgalaxien zu untersuchen.

Zusammen mit Andrew Wilson (Univ. of Maryland) und Chris Simspson (STScI/Caltech) haben wir daher in einem Survey die Emissionslinien-Gebiete von 8 Seyfertgalaxien mit dem HST untersucht. Dabei haben wir die Möglichkeiten der Linear-Ramp-Filter der ``Widefield and Planetary Camera'' (WFPC2) an Bord des HST benutzt, die eine positionsabängige Transmission haben. Die Filter sind in mehrere Streifen eingeteilt, entlang derer sich die Zentralwellenlänge des Filters graduell ändert. Die Durchlaßbreite des Filters ist an jeder Stelle ungefähr 1.3% der momentanen Zentralwellenlänge. Für ein Objekt mit einer Emissionslinie bei einer bestimmten Wellenlänge steht daher nur ein eng begrenztes Sichtfeld (14'') zu Verfügung, bevor die Emissionslinie außerhalb des Durchlassfensters fällt. Dies ist zum Glück keine besonders große Einschränkung für Seyferts, da deren Emissionsliniengebiet im allgemeinen kleiner ist. Dahingegen ist die Möglichkeit, Emissionslinien bei fast allen Wellenlängen zu beobachten, für Seyfertgalaxien mit substantieller Rotverschiebung von großem Vorteil, da diese sonst überhaupt nicht beobachtet werden könnten.

Jede Galaxie in unserem Sample haben wir bei vier verschiedenen Wellenlängen (d.h. an vier verschiedenen Stellen auf den Chips der WFPC2) beobachtet. Zwei der Aufnahmen hatten Zentralwellenlängen entsprechend der rot-verschobenen Halpha- und [OIII]-Emissionslinien der jeweiligen Galaxien und die anderen beiden wurden zur späteren Subtraktion im linienfreien, benachbarten Kontinuum gemacht. Die Aufnahmen selber wurden nochmals gesplittet, um hinterher die Einschlagspuren von Kosmischen Teilchen zu entfernen, die bei HST-Aufnahmen zahlreich sind.

Die beiden Emissionslinien wurden ausgewählt, weil sie zum einen die stärksten Linien im optischen Bereich sind und zum anderen der Vergleich von Halpha und [OIII] eine Abschätzung des Ionisationszustandes des Gases liefert. Grob gesagt bedeutet dies: je höher die Anregung des Gases ist, desto höher ist das Verhältnis von [OIII] zu Halpha. Teilt man nun das [OIII]- durch das Halpha-Bild, erhält man eine räumlich aufgelöste Karte des Ionisationszustandes des Gases.

Zusätzlich zu den HST-Aufnahmen haben wir bei einigen Galaxien auch noch VLA-Aufnahmen bei 8 und 15 GHz mit höchster Auflösung und langen Integrationszeiten gemacht. Bisher sind die meisten Radiobeobachtungen von Seyfertgalaxien im Rahmen großer Durchmusterungen gemacht worden, so daß die Karten der einzelnen Galaxien nur ein schlechtes Signal-zu-Rauschverhältnis hatten und viele Strukturen gar nicht entdeckt wurden.

Drei dieser Galaxien sind auf diesen Seiten abgebildet. Das spektakulärste und gleichzeitig überraschendste Ergebnis lieferten die Beobachtungen von ESO 428-G14 - eine bislang relativ unbeachtete Seyfertgalaxie (Abb. 1). Ihr Emissionsliniengas ist in dünnen Strängen organisiert, die sich wie die Arme eines gigantischen Kraken durch die Galaxie schlängeln. Während sich auf der einen Seite ein Strang über 300 pc hinstreckt und am Ende in mehrere Stränge aufsplittet, finden sich auf der anderen Seite zwei gleichstarke Stränge, die eine der Zahl 8 ähnliche Figur bilden.

Abb. 1: Halpha-Emissionslinien Bild der Seyfert 2 Galaxie ESO 428-G14: Die Aufnahme wurde mit der WFPC2 des HST gemacht (Falcke et al. 1996c). Die Konturen zeigen eine VLA-Radiokarte bei 15 GHz. Das Emissionsliniengas und das Radioplasma werden von dünnen Strängen dominert, die auf der einen Seite die Zahl 8 bilden. Die Registrierung der Radiokarten relativ zum HST-Bild, in dieser und in den anderen Abbildungen, ist allerdings noch mit einer Unsicherheit von einigen zehntel Bogensekunden behaftet und kann sich durch bessere Astrometrie in Zukunft noch leicht ändern.

ältere Radiokarten hatten schon gezeigt, daß diese Stränge genau der Spur eines Radiojets folgen und spektroskopische Messungen deuteten darauf hin, daß sich das Gas wahrscheinlich in einem Ausfluß befindet, wobei sich der süd-westliche Teil auf uns zubewegt. Unsere neuen VLA-Aufnahmen bei 15 GHz haben nun gezeigt, daß ähnliche Strukturen auch im Radiobereich zu finden sind. Erstaunlicherweise sind die Radiostrukturen aber nicht völlig identisch mit dem ionsierten Gas. Im Nord-Osten ist der Radiojet kurz und gerade, während sich das Emissionsliniengas in einer helikalen Form um den Radiojet zu winden scheint. Dahingegen sind im Süd-Osten Radio- und Emissionslinienstränge ähnlich verworren, wobei aber auch hier die beiden Stränge immer leicht gegeneinander zu laufen scheinen.

Es ist ein großes Rätsel, wie diese Stränge so wohl-kollimiert bleiben können und dabei gleichzeitig so flexibel sind, diese komplexen Strukturen mit ihren starken Biegungen zu erzeugen. Es ist durchaus möglich, daß die eigentlich treibende Kraft in diesem Jet das Radioplasma ist, und das Emissionsliniengas nur die starke Wechselwirkung in der Scherfläche zwischen Jet und interstellarem Medium (ISM) wiederspiegelt. Aber auch dann bleibt die Struktur des Radiojets ausgesprochen ungewöhnlich. Es ist daher auch noch nicht ausgeschlossen, daß Magnetfelder hier eine wichtige Funktion für die Kollimation des Jets haben. Wichtige Aufschlüsse über die Kinematik des Gases und damit auch über den Mechanismus, der diesen Jet treibt, erhoffen wir uns mit hochauflösender Long-Slit-Spektroskopie, wie sie mit dem Einbau des neuen Spektrographen STIS in das HST im Frühjahr 1997 möglich sein wird.

Ein weiteres Beispiel für den starken Einfluß, den Jets auf das heiße Gas in Seyfertgalaxien haben können, finden wir in der Galaxie MRK 573 (sprich Markarian 573, Abb. 2). Auch hier finden wir kürzere radiale Stränge entlang der Vorzugsrichtung, aber die augenfälligsten Strukturen sind vier Bugschock-ähnliche Bögen, die beinahe symmetrisch zum Zentrum und senkrecht zur Vorzugsrichtung erscheinen. Radiokarten zeigen, daß in der Tat ein Jet entlang dieser Vorzugsrichtung läuft und diese Formation produziert. Genau innerhalb der inneren beiden Bögen befinden sich zwei Radioknoten, die gewisse ähnlichkeiten mit Hotspots in Radiogalaxien haben. Auf Karten mit niedriger Auflösung findet man auch, daß diese Radioknoten durch eine Plasma-Brücke miteinander und mit dem Kern verbunden sind. Bodengebundene Spektroskopie zeigt, daß die Emissionslinien im Bereich der Bögen asymmetrich verbreitert sind, was u.U. auf starke kinematische Störungen und Turbulenz zurückzuführen ist. Ganz offensichtlich wird der Radiojet an diesen Stellen gestoppt, rammt in das ISM und komprimiert es. Interessanterweise kommt fast die Hälfte der gesamten Leuchtkraft dieser Seyfertgalaxie aus den vier Bögen, so daß ganz zweifellos der Jet einen entscheidenden Einfluß auf die Morphologie des Emissionsliniengases hat.

Abb. 2: Aufnahme des Halpha-Gases in MRK 573: Diese Galaxie zeichnet sich durch besonders prägnante Bögen aus die wahrscheinlich Bugschocks eines Radiojets sind. Die VLA-Radiokarte zeigt zwei Hotspots innerhalb der innersten beiden Bögen.


Schaut man auf die Anregungskarte des Gases in dieser Galaxie, so kann man noch mehr entdecken. Abbildung 3 zeigt, daß das hochionisierte Gas in zwei scharf begrenzten Kegeln zu finden ist, die im aktiven Kern ihren Ursprung haben. Solche Ionisationskegel deuten darauf hin, daß die ionisierende Strahlung - wie bei einem Scheinwerfer - in diese Richtung gebündelt ist. Wahrscheinlich ist die zentrale UV-Quelle von einem molekularen Torus umgeben, der die Bereiche außerhalb des Strahlungskegels abschattet. Alle vier Bögen liegen innerhalb dieses Strahlungskegels und werden von ihm begrenzt, was darauf hindeutet, daß sie in erster Linie durch die Strahlung von der Zentralquelle und nicht durch die Bugschocks selber ionisiert werden. Die inneren Bögen zeigen darüberhinaus eine leicht reduzierte Anregung - genau das Verhalten, das man erwartet, wenn das Gas durch die Kompression im Bugschock verdichtet wird.

Abb. 3: Anregungskarte von MRK 573: Gelbe Farben repräsentieren Regionen erhöhter Anregung. Die äußere Form ähnelt einem Bi-konus - Zeichen einer anistropen ionisierenden Strahlung aus dem Zentrum.

Als letztes Beispiel für Jets in Seyfertgalaxien soll uns MRK 34 dienen. Unsere neuen Radiokarten zeigen eine Struktur, die sehr große ähnlichkeiten sowie ein paar entscheidende Unterschiede zu Radiogalaxien zeigen. In Abb. 4 ist ganz deutlich der Jet zu erkennen, der wohlkollimiert in zwei Hotspots endet. Im Unterschied zu den energetischsten Radiogalaxien, ist der Jet aber zweiseitig, was bedeutet, daß zumindest der äußere Mantel des Jets, wenn nicht sogar der ganze Jet, auf dieser Skala sub-relativistische Geschwindigkeiten hat. Die hohe Kollimation des Jets spricht für eine hohe Machzahl, d.h. geringe Schallgeschwindigkeit im Jet im Vergleich zur Ausbreitungsgeschwindigkeit. Da die Jetgeschwindigkeit in Seyferts sowieso schon deutlich geringer ist als in anderen Jets, muß der Jet in MRK 34 auch deutlich ``kälter'' sein als z.B. in Radiogalaxien oder in den galaktischen Jetquellen, um die hohe Kollimation zu erreichen. Das könnte auch zum Teil erklären, warum die Jets in Seyferts und radio-schwachen Quasaren so schwache Radiostrahler sind: die interne Energie, z.B. in relativistischen Teilchen, ist einfach zu gering.

Abb. 4: Halpha- und Radio-Karten von MK 34: Der Radiojet ist bemerkenswert gut kollimiert und gerade und ähnelt ein wenig den Jets in Radiogalaxien.

Die gesamte kinetische Energie des Jets muß dahingegen nicht unbedingt ebenfalls gering sein, denn immerhin bewegt und beeinflußt der Jet eine große Menge Gas, das sich entlang der Jetachse orientiert. In der Anregungskarte (Abb. 5) sieht man darüberhinaus, daß an der Stelle, wo sich die Hotspots befinden, die Ionisation deutlich geringer ist - ein Effekt, den wir bei MRK 573 schon gesehen haben und mit Kompression des Gases durch den Jet erklärt werden kann. Außerdem kann man auch hier wieder das charakteristische Schattenbild eines kompakten, zentralen Torus - den Bi-Konus - erkennen.

Abb. 5: Anregungskarte von MK 34: Die Radiohotspots liegen in einem Gebiet niedriger Ionisation, möglicherweise aufgrund der Kompression des Gases durch den Radiojet.

RELATIVISTISCHE JETS IN RADIO-SCHWACHEN QUASAREN

Noch schwieriger als bei Seyfertgalaxien ist die Situation in radio-schwachen Quasaren. Da sie weiter entfernt sind als Seyfertgalaxien und die meisten auch geringere Flüße haben, sind direkte Aussagen über die Struktur und Eigenschaften von Jets in radio-schwachen Quasaren nur schwer möglich. Radio-Schnappschüsse mit dem VLA haben nur in einigen Quasaren Anzeichen für bi-polare Strukturen gezeigt (Kellerman et al. 1994), dennoch gibt es jetzt deutliche Hinweise, daß zumindest der größte Teil der radio-schwachen Quasare relativistische Jets hat.

Diese Hinweise kommen von einer kleinen Klasse sogenannter ``radio-intermediärer Quasare'' (RIQ), die, wie der Name es andeuten soll, Radioleuchtkräfte zwischen denen von radio-schwachen und radio-lauten Quasaren haben (Miller et al. 1993, Falcke et al. 1995). Es zeigte sich bald, daß die meisten Quasare, die sich in diesem intermediären Bereich befinden, ein flaches Radiospektrum haben - dies ist eigentlich ein typisches Zeichen für relativistisch geboostete radio-laute Quasare. Letztere bestehen im Prinzip aus 2 Komponenten: einem Flachspektrum-Radiokern, der von der Basis des Jets erzeugt wird, und den Steilspektrum-Radiokeulen mit ihren Hotspots, die den Bereich markieren, wo der Jet im intergalaktischen Medium gestoppt wird. Während die Radiokeulen im Großen und Ganzen isotrop abstrahlen, ist die Helligkeit des Kerns sehr stark von dem Ansichtswinkel abhängig, unter dem der Jet beobachtet wird. Schaut man entlang der Jetachse, quasi in den Jet hinein, dann wird die Strahlung des Kerns aufgrund der relativistischen Jetgeschwindigkeit Doppler-geboostet, d.h. verstärkt. Die Verstärkungsfaktoren können ganz erheblich sein, und so kommt es, daß für einige radio-laute Quasare, die zufällig genau in unsere Richtung zeigen, der Flachspektrum-Radiokern, der normalerweise nur wenige Prozent der Helligkeit der Steilspektrum-Radiokeulen ausmacht, den gesamten Radiofluß dieser Quasare dominiert und die Radiokeulen überstrahlt.

Die radio-intermediären Quasare passen aber nicht ganz in dieses Schema, denn sie zeigen alle Eigenschaften geboosteter Quasare, haben aber eine geringere Radioleuchtkraft als typische radio-laute Quasare. Sie können damit eigentlich keine geboosteten RADIO-LAUTE Quasare sein. Es wurde daher vorgeschlagen, daß diese Quasare stattdessen relativistisch geboostete RADIO-SCHWACHE Quasare seien. Eine genauere Untersuchung der Spektren und der Variabilität von Quasaren in einer vollständigen Stichprobe von Quasaren (dem PG Quasar-Sample) ergab dann tatsächlich, daß die radio-intermediären Quasare in genau der richtigen Anzahl und Verteilung zu finden sind, wie man es erwarten würde, wenn ALLE radio-schwachen Quasare relativistische Jets in ihrem Zentrum hätten (Falcke et al. 1996a). Einer der Quasare, III Zw 2, hat darüberhinaus eine so starke Variabilität, daß die daraus abgeleitete hohe Helligkeitstemperatur und Kompaktheit nur durch relativistisches Boosting zu erklären ist.

Interferometrische Untersuchungen von dreien dieser Quasare (Falcke et al. 1996b) haben nun auch weitere Vorhersagen dieses Modells bestätigt. Alle drei radio-intermediäre Quasare hatten ultra-kompakte Radiokerne und auf keiner räumlichen Skala fanden sich Anzeichen für ausgedehnte Emission (z.B. Radiokeulen), d.h. abgesehen vom hellen Radiokern, sind diese Quasare ganz normale radio-schwache Quasare. Das letzte Glied in der Beweiskette kann nun das HST liefern, denn die Galaxientypen, in denen sich radio-laute und radio-schwache Galaxien befinden, sind sehr unterschiedlich. Erstaunlicherweise, findet man radio-laute Quasare fast ausschließlich in elliptischen Galaxien, während sich radio-leise Quasare sowohl in elliptischen als auch in Spiralgalaxien befinden. Einer unserer radio-intermediären Quasare war nun zufällig Teil eines HST-Programmes indem die Galaxientypen von Quasaren untersucht wurden. Und in der Tat stellte sich dieser Quasar als eine Spiral-Galaxie heraus. Damit ist endgültig klar, daß zumindest diese Quelle trotz ihres hellen Kernes in Wirklichkeit ein radio-schwacher Quasar ist.

Somit deutet die Existenz der radio-intermediären Quasare sehr stark daraufhin, daß radio-schwache Quasare wie ihre radio-lauten Gegenüber relativistische Jets beherbergen und damit beide Klassen im Prinzip die gleiche Maschine in ihrem Zentrum beherbergen. Allerdings produzieren radio-schwache Quasre erheblich weniger Radiostrahlung - weil entweder die Gesamtleistung der Jets geringer ist, oder der Jet einfach ineffektiver strahlt. Woher dieser Unterschied kommt, können diese Beobachtungen nicht erklären. So erscheint die Dichotomie zwischen radio-lauten und radio-leisen Quasaren nun als ein noch größeres Rätsel.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

In der Zusammenschau mit Seyfertgalaxien kann man daher feststellen, daß wahrscheinlich die meisten aktiven galaktischen Kerne Jets produzieren und damit das Jetphänomen erheblich universeller ist, als bislang angenommen. Nimmt man die anderen neu-entdeckten Jets hinzu, dann erstreckt sich dieses Phänomen über den gesamten Bereich, in dem wir Akkretion auf ein kompaktes Zentralobjekt als den grundlegenden Motor der Aktivität vermuten. Wie man an der Struktur des Emissionsliniengases der hier diskutierten Seyfertgalaxien sehen kann darf der Einfluß des Jets auf das umgebende Medium nicht vernachlässigt werden, auch wenn die Radioleuchtkraft als relativ gering erscheint. Es ist zu erwarten, daß die Jets in radio-schwachen Quasaren einen ebensolchen Einfluß haben. Mit dieser Jet/Gas-Wechselwirkung lassen sich gegebenenfalls die subtilen Unterschiede erklären, die zwischen den Spektren von radio-lauten und radio-schwachen Quasaren gefunden wurden. Eine andere Frage, die auch noch der Klärung bedarf, sind die Unterschiede zwischen den Jets selber. Warum gibt es radio-laute und radio-schwache Jets? Warum sind Quasarjets relativistisch, während wir bisher noch kein eindeutiges Anzeichen für relativistische Bewegungen in den Jets von Seyfertgalaxien gefunden haben? Selbst die grundlegenden Fragen, die am Anfang gestellt wurden, lassen sich z.Zt noch nicht eindeutig beantworten. Wieviel Prozent der Gesamtenergie des zentralen Motors in einer Seyfertgalaxie geht in den Jet? Wir stehen hier also immer noch am Anfang. Allerdings besteht mit der Entdeckung der Emissionslinienjets in Seyfertgalaxien, die Möglichkeit wichtige Jetparameter durch spektroskopische Beobachtungen ableiten zu können. Somit könnte zumindest ein Teil dieser Fragen in Zukunft mit größerer Genauigkeit beantworten werden.

REFERENZEN

Erschienen in "Sterne und Weltraum", Ausgabe 8-9, 1997